Artikel von Jens Dittmar - aktualisiert am 29. Juni 2011 - veröffentlicht am 16. Juni 2010

Festbrennweiten im Zeitalter der Zooms

Autor: Jens Dittmar

In letzter Zeit erlebte ich öfters Diskussionen (teils in Foren, teils persönlich mit anderen Hobbyfotografen), deren Inhalt der Sinn und Zweck von Festbrennweiten heute, im Zeitalter der Zooms war. Die Meisten, mit denen ich diskutierte, bevorzugen die Flexibilität der Zooms, dass man schneller auf eine Situation reagieren kann, oder auch einfach nicht so oft das Objektiv zu wechseln braucht. Für Viele scheint es ein nicht akzeptabler Frevel zu sein, wenn in der Brennweitenkette von 18 bis 200mm eine Lücke von  nur 10mm klafft.

Zunächst möchte ich einmal die Vor- bzw. Nachteile zusammentragen.

Bezüglich der Lichtstärke ist ganz klar, dass Zooms den Festbrennweiten da unterlegen sind. Gute Zooms erreichen eine Lichtstärke von 2,8 über den gesamten Brennweitenbereich, bei Festbrennweiten kommen schon die Günstigeren auf 1,8, die Besseren auf 1,4 bis 1,2. Somit schaffen die Festbrennweiten bis zu ca. 2 Blenden mehr Licht, was vor allem beim Fotografieren in dunkleren Bereichen (Abendstunden oder Innenräume mit schwacher Beleuchtung) von Vorteil ist.

Außerdem bieten die Festbrennweiten damit wesentlich mehr Möglichkeiten der Freistellung von Objekten oder Personen vor dem Hintergrund, da bei größere Blende die Schärfentiefe geringer wird.

Der größte Vorteil von Zooms ist ihre Flexibilität. Man kann den Bildausschnitt schnell anpassen, ohne sich zu bewegen und flexibel einstellen, wenn man aufgrund der räumlichen Gegebenheiten nicht näher heran oder weiter weg gehen kann.

Allerdings sehe ich hier auch eine wesentliche Gefahr der Zooms, denn viele (Hobby-)Fotografen tendieren dazu, sich den Bildausschnitt zurecht zu zoomen und vergessen dabei, dass eine andere Brennweite (z. B. 18mm im Gegensatz zu 50mm) eine völlig andere Bildwirkung und einen anderen Blickwinkel mit sich bringt. Vor allem bei Portraits kann sich das sehr fatal auswirken, denn wenn man nicht aufpasst und auf einmal zu sehr in den Weitwinkelbereich gezoomt hat kommt es zu unrealistisch oder unvorteilhaft wirkenden Verzerrungen im Bild (z. B. zu große Nase, oder der Kopf wirkt zu klein über der riesigen Schulter).

Oft wird als ein Vorteil der Festbrennweiten gegenüber den Zooms angeführt, dass die Bildqualität besser sei. Damit ist oft der Kontrast, die Detailzeichnung, die Vingettierung und Verzerrungen gemeint.

Tatsächlich schneiden hier Festbrennweiten im Durchschnitt besser ab als die meisten Zoomobjektive, allerdings gibt es auch Festbrennweiten, die den Zooms hier unterlegen sind. Vor allem die neuen und etwas kostenintensiveren Zoomobjektive haben aber in diesen Bereichen deutlich aufgeholt und können mit den Festbrennweiten durchaus mithalten.

Dann wäre da noch der Kostenfaktor. Im Normalen Brennweitenbereich (also ca. 18 bis 200 mm) sind gute Festbrennweiten im Durchschnitt deutlich günstiger zu haben, als gute Zoomobjektive. Andererseits hat das Zoom den Vorteil, dass man damit die Brennweiten mehrere Festbrennweiten abdeckt.

Um ein Zoomobjektiv mit 18-55mm Brennweite durch Festbrennweiten zu ersetzen, würde man zwei bis drei Objektive anschaffen müssen, was dann bei den Kosten wahrscheinlich sogar teurer zuschlagen würde, als das Zoomobjektiv. Außerdem haben die Festbrennweiten in Summe mehr Gewicht als ein einzelnes Zoomobjektiv.

Technisch haben also beide Objektivarten ihre Vor- bzw. Nachteile und jeder muss selbst für sich entscheiden, welchen Weg er gehen möchte. Zudem schließen sich die beiden Möglichkeiten ja nicht zwingend aus. So kann man durchaus in Abhängigkeit der Situation mit beiden Objektivarten gut arbeiten.

Oft hört man als Argument von den Anhängern der Zooms, dass sie mit Festbrennweiten zu wenig flexibel wären und Gefahr laufen würden, Motive zu verpassen. Meiner Meinung nach werden diese Befürchtungen überbewertet, da vielen einfach die Erfahrung fehlt mit einer Festbrennweite gearbeitet zu haben. Zoomen geht bei Festbrennweiten sehr wohl, mittels des „Turnschuh-Zooms“, also indem man einfach näher heran oder weiter weg geht. Und ein verpasstes schlechtes Foto kann man leichter verschmerzen als viele meinen.

Ich für meinen Teil habe mich in den letzten Jahren, zunächst ohne dass es mir selbst richtig aufgefallen wäre, hin zu den Festbrennweiten entwickelt. So besitze ich seit einiger Zeit kein einziges Zoomobjektiv mehr und vermisse Diese auch nicht. Begonnen hat das mit den Festbrennweiten bei mir mit meinem Makroobjektiv, einer 105mm Festbrennweite. Später kam für Innenraumaufnahmen bei einer Feier ein 35mm mit maximaler Blende 1,8 hinzu und unterdessen noch ein 50mm mit Blende 1,4, welches sich durch den Crop-Faktor meiner Kamera (Nikon D300) auch gut als Einstiegsbrennweite für den Portraitbereich eignet.

Oftmals mache ich auch gerne Fotoausflüge, zu denen ich nur eine Festbrennweite mitnehme (manchmal sogar etwas extrem indem ich nur das 105er, also ein leichtes Teleobjektiv auswähle). Auf diese Art und Weise bin ich dazu gezwungen, mich mehr mit der Bildgestaltung, der Bildwirkung und dem Blickwinkel auseinander zu setzen. Daraus resultieren, zumindest für mich, sehr viel durchdachtere und besser gestaltete Fotos. Auch überlege ich vor dem eigentlichen Fotografieren mehr und lasse die Kamera öfters mal in der Tasche, wenn mir das Motiv nicht so gut erscheint oder ich keinen sinnvollen Weg sehe es gut in Szene zu setzen.

Für mich kann ich sagen, dass die Verwendung von Festbrennweiten meinen fotografischen Blick geschult hat und mich in meiner Entwicklung ein gutes Stück vorangebracht hat und noch immer voranbringt. Ich fotografiere mit Festbrennweiten bewusster und es macht mir irgendwie auch mehr Spaß.

Ich kann jedem nur wärmstens empfehlen, ab und an Ausflüge mit nur einer Festbrennweite zu machen, da es einfach eine andere Sichtweise eröffnet. Wer keine Festbrennweite hat, kann beispielsweise sein Zoom nehmen und fest auf eine Brennweite einstellen (ein Stück Klebeband kann dabei helfen ;-) ). Probiert es einfach mal aus, schaden kann es nicht.

Die Bilder in diesem Beitrag entstanden alle mit Festbrennweiten (das Damenportrait mit 50mm, der Rest mit 105mm).

Ebenso sind fast alle Bilder bei den Hochzeiten (Artikelserie: Hochzeiten fotografieren), die ich fotografierte mit Festbrennweiten entstanden. Etwa 65% mit dem 35mm, ca. 30% mit dem 105mm und höchstens 5% mit einem Zoom, allerdings auch nur weil mir kein anderes Objektiv im Weitwinkelbereich zur Verfügung stand.

Alle Beiträge der Serie „Objektiv”

Autor des Artikels: Jens Dittmar

Zum Fotografieren kam ich vor einigen Jahren, damals lag mein Hauptinteresse in der Landschaftsfotografie. Im Jahr 2008 entdeckte ich die Makrofotografie für mich und war fortan begeistert von der kleinen Welt überall um uns herum. 2009 habe ich neben der Makrofotografie auch sehr viel Peoplefotografie betrieben und mich mit der Lichtführung intensiver beschäftigt. Zu einem meiner ersten Fotos sagte mein Vater einmal: „Wer fotografiert, lernt sehen.“ Diesen Leitsatz sehe ich in allen Bereichen der Fotografie täglich bestätigt. In der Makrofotografie ist er allerdings am offensichtlichsten.

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